Strafe und ihre Wirkung auf den Strafenden

 

Was passiert mit dem Strafenden?

Ich möchte mich nicht damit befassen, was positive Strafe bei unseren Hunden bewirkt. Damit haben sich im Laufe der Jahre bereits so viele Experten befasst und darüber geschrieben, dass es eigentlich bekannt sein müsste.
Nein, in diesem Artikel möchte ich darauf eingehen, was eigentlich mit dem Menschen passiert, wenn er bei der Hundeerziehung auf positive Strafe in Form von aversiven Reizen setzt.

Zunächst einmal möchte ich auf das Argument vieler Leute eingehen, die aversive Reize anwenden und behaupten, man müsse diese emotionslos gebrauchen. Entschuldigung, aber mit so einer Aussage lügt man sich selber in die Tasche. Warum? Ganz einfach. Wir sind Menschen. Menschliche Handlungen werden gesteuert von Emotionen, wenn es sich nicht gerade um reflexive Handlungen dreht. Emotionen lenken und steuern Verhalten, auch dies sollte bekannt sein. Weiterhin muss man sagen, dass das Handeln des Menschen immer am Ende einer neuronalen und hormonellen Kette steht. Ein Reiz von außen wird durch die Sinnesorgane wahrgenommen, durchläuft gewisse neuronale Bereiche und wird dann durch das Gehirn bewertet. Das Gehirn sendet dann, je nachdem wie die Bewertung ausfällt Impulse los, die das Verhalten auslösen. Ich verzichte hier bewusst auf nähere Bezeichnung des genauen Weges, weil dies den Rahmen sprengen würde und auch die Lust am Lesen verdirbt. Wer dies genau wissen will, findet hierzu in entsprechenden Fachbüchern detaillierte Informationen.

Wenn also nun das Gehirn die Bewertung vorgenommen hat, es müsse ein Verhalten auslösen, nämlich den aversiven Reiz zu setzen, dann ist das Ereignis zumindest von einer derartigen Wertigkeit, dass es nicht mehr als gleichgültig angesehen werden kann und somit auch ein emotionsloses Strafen per se nicht mehr möglich ist.
Nur weil der Mensch im Moment der Strafe die er setzt, keine merkbare innerliche Erregung verspürt heißt das noch lange nicht, dass das Strafen emotionslos ist.
Doch was passiert nun genau, wenn ich einen aversiven Reiz anwende? Gehen wir das mal anhand von einem Beispiel durch. Der Hund zerrt an der Leine, was mich ziemliche Kraft kostet, um dagegen zu halten. Ich setze nun einen kräftigen Leinenruck. Der Hund verspürt den Leinenruck, den dadurch verursachten Schmerz und beendet sein Leine zerren.
Ich verspüre nun die Erleichterung, dass mein Hund nicht mehr ziehend in der Leine hängt. Mein Verhalten, also das Leine rucken, wurde somit durch die lockere Leine und die Entfernung des Unangenehmen verstärkt.
Wie ja bekannt ist, tritt verstärktes Verhalten öfter auf. Ich werde also zukünftig in gleicher Situation wieder zum Leinenruck greifen.
Sie denken das wäre ja kein Problem, weil der Hund nach ein paar Mal rucken nicht mehr an der Leine zerrt ? Dann entgegne ich ihnen gerne den Begriff der Generalisierung.
 Denn was da funktioniert, also das Anwenden aversiver Reize, wird der Mensch zukünftig öfter und in allen möglichen Situationen anwenden. Sie werden also nicht mehr nur an der Leine rucken wenn ihnen ihr Hund bereits die Schulter auskugelt, sondern bereits an der Leine reißen, wenn er leicht zieht, wenn er zwar an lockerer Leine geht, aber nicht in der Position ist, in der sie ihn haben möchten. Sie werden an der Leine reißen, wenn er sich nicht aufs erste Mal setzt, oder wenn er nicht auf die erst Ansprache auf Sie reagiert. So werden Sie über den Tag verteilt so oft mit mechanischer Gewalt auf den Hundehals einwirken, dass es Ihnen selber in dieser Masse überhaupt nicht mehr bewusst ist. Denn da kommt ein zweiter Faktor zum Tragen. Die Habituation. Sie gewöhnen sich so sehr daran, dass es normal wird, den Hund in jeder nur erdenklichen Situation zu strafen und warten nun mehr auf Fehler, die Sie strafen können, als sich darauf zu konzentrieren wie sie ihrem Hund richtiges Verhalten beizubringen.

Das Ende vom Lied ist, dass strafenden Menschen gar nicht mehr bewusst ist, wie häufig sie strafen und teilweise sogar warum sie überhaupt strafen.
Der Mensch erzieht sich bei der Hundeerziehung auch selbst mit. Das ist unvermeidbar, da auf jede Aktion immer eine Reaktion folgt, die entweder positiv oder negativ bewertet wird und somit gehäuft auftritt oder eben weniger häufig auftritt. Würde neben Ihnen jemand gehen, der Ihnen bei jeder Strafe die Sie auf den Hund anwenden einen schmerzhaften Rippenstoß verpassen würde, dann wäre es nur eine Frage kürzester Zeit bis Sie das Strafen komplett einstellen würden. Das Ganze hätte dann auch für Ihren Hund den Vorteil, dass Sie am eigenen Leib erfahren würden, was in ihm bei der ganzen Straferei vorgeht. Nämlich massive hormonelle Stressvorgänge die auf Dauer krank machen.
Ich denke, keiner will seinem Hund Unrecht tun, ihn quälen oder krank machen. Man sollte sich aber dessen bewusst sein, dass man genau dies durch die Anwendung aversiver Reize macht.
Meine große Bitte zum Abschluss dieses Artikels lautet daher: Gehen Sie in sich, reflektieren Sie Ihr Handeln und seien Sie sich jeder Handlung gegenüber ihres Hundes bewusst.
Die Anwendung von positiver Strafe und aversiver Reize im Hundetraining, verändert nicht nur das Verhalten des Hundes, sondern auch den Charakter des Menschen! Und zwar negativ.
Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, haben Sie sich entweder bereits wiedererkannt oder Sie hegen noch einen kleinen Restzweifel an meinen Ausführungen.
Dazu möchte ich einfach noch ein paar Fragen stellen. Das Einzige was Sie hierbei tun müssen ist: seien Sie ehrlich zu sich selber.

* Wie oft loben oder belohnen Sie ihren Hund für ruhiges, unauffälliges Verhalten?
* Wie oft loben oder belohnen Sie ihn, wenn er an lockerer Leine absolut entspannt neben Ihnen geht ?
* Ertappen Sie sich dabei, öfter „Nein“ zu sagen als „fein gemacht“ ?
* Was denken Sie, wenn Ihr Hund locker an Hunden vorbeiläuft, die an der Leine toben? „Super, das hast Du ganz fein gemacht!“, oder „ich habe meinen Hund im Griff, und der nicht!“
* Beobachten Sie genau, wie sich Ihr Hund verhält, wenn Sie eine schnelle, ruckhafte Bewegung in seiner Nähe machen. Zuckt er zusammen ? Beschwichtigt er?

Abschließen möchte ich mit einem Satz, dem wir uns immer bewusst sein sollten.

„Verantwortung zu übernehmen heißt Antworten zu wissen. Antworten zu wissen setzt Wissen aneignen voraus.“

Das Leben ist ein ständiger Lernprozess und wir schulden es unseren Hunden, dass wir uns für ihre Erziehung das erforderliche Wissen aneignen, um die Ursachen für ihre Probleme zu erkennen und friedlich und gewaltfrei daran zu arbeiten. Dies schließt aber ein, dass wir uns auch selber in einem ständigen Veränderungsprozess befinden, unser Verhalten reflektieren und diesbezüglich ständig dazulernen sollten.

In Anbetracht dieser Faktoren ist es auch sehr leicht erklärbar, warum strafende Menschen ihre Methoden teils sehr vehement verteidigen und mit anderen Begrifflichkeiten versuchen zu verharmlosen. „Keine Strafe sondern Korrektur“ zum Beispiel. Alles was mir selber gut tut und womit ich mich gut fühle, werde ich natürlich auch als positiv und richtig verkaufen. Das ist ein ganz normaler Prozeß. Hierfür ist eine Menge an Selbstreflexion erforderlich, die leider nicht jedem gegeben ist. Nein, liebe Leute, es ist und bleibt Strafe, wenn Ihr den Hund knufft, ihn bedrängt, anzischt oder ihm Wasser ins Geschicht spritzt.

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